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Spurensuche in der Geschichte Dürens

Einer der Hotspots der Dürener Vergangenheit, die im Rahmen unseres Projektes virtuell zu neuem Leben erwachen sollen, ist der Hoeschplatz im Herzen der Stadt. Im Zuge unserer historischen Recherchen stießen wir u. a. auf die Geschichte eines Mitgliedes der namengebenden Familie dieses Platzes, dessen Todestag sich nun, im April 2021, zum 169. Mal jährt. Es handelt sich um den Eisenindustriellen Eberhard Hoesch. Ein guter Zeitpunkt, um einmal auf sein (bemerkenswertes) Leben zu schauen:


Eberhard Hoesch wurde als "Johann Leonhard Eberhard Hoesch" am 17. November 1790 in Schneidhausen geboren und vier Tage später in Düren getauft. Er war der Sohn des Eisen- und Papierfabrikanten Eberhard Hoesch (1756-1811) und trug später nur noch den Namen seines Vaters als Vornamen. Er hatte mit Wilhelm Hoesch und Ludolf Matthias Hoesch zwei Brüder. Verheiratet war er mit der aus Stolberg stammenden Johanna Dorothea Adelheid Wuppermann und hatte acht Kinder mit ihr. Schon früh prägte die 1789 begonnene Französische Revolution sein Leben. Eberhard studierte an einem Institut in Dortmund, musste aber aufgrund der Napoleonischen Kriege mit 17 Jahren das Studium abbrechen und zum Zweifallshammer zurückkehren, einem Eisenhammer in der Nähe von Monschau, der seinem Vater gehörte. Dort und in der dazugehörigen Hütte in Simonskall war er als Hammerschmied tätig. Mit 19 Jahren übernahm er die Leitung des Zweifallshammers, kurze Zeit später im Jahr 1811 verstarb sein Vater. Das gesamte Erbe fiel auf die drei Brüder Wilhelm, Ludolf Matthias und Eberhard.

Die drei Geschwister schlossen nach einem sehr guten Jahr für Zweifallshammer am 31. Dezember 1812 einen Gesellschaftsvertrag und gründeten somit die Firma "Gebrüder Hoesch". Doch schon ein Jahr später gab es Probleme, da Eberhard aufgrund der andauernden Kriege hoch spekulierte und gegen den Willen seiner Brüder große Massen roher Materialien kaufte. 1814 aber marschierten die Verbündeten in Frankreich ein, setzten Napoleon ab, verbannten ihn auf die Mittelmeerinsel Elba und schufen durch den Wiener Kongress eine Neuordnung Europas. Als Folge daraus sank der Eisenpreis dramatisch und nur durch das Vermögen der Mutter konnte das Unternehmen gerettet werden.

Einige Jahre später gründeten Eberhard und Wilhelm ihre eigene Firma "Gebrüder Eberhard und Wilhelm Hoesch" und schon bald, am 30. November 1819, trennten sie sich per Vertrag von ihrem Bruder Ludolf Matthias. Während dieser die Papierfabrik in Krauthausen erhielt, bekamen Eberhard und Wilhelm die Besitzungen in Schneidhausen, Zweifallshammer und Simonskall. Im selben Jahr kauften die beiden Brüder Wilhelm und Eberhard, damals noch Bergwerks- und Hüttenbesitzer, die Lendersdorfer Hütte von Eberhard Deutgen. Dieser hatte die Hütte von seinem Vater geerbt, wollte sich aber vermutlich entweder wegen seines Reichtums an Liegenschaften oder wegen des Mangels an männlichen Nachfahren aus der Industrie zurückziehen. Aus diesem Grund schloss er in Düren vor dem Notar Rüttgers einen Kaufvertrag über 29.000 Franken bzw. 10.000 Reichstaler mit Wilhelm und Eberhard. Zur Lendersdorfer Hütte gehörten zum Kaufzeitpunkt ein Reidwerk, bestehend aus Hütte und Eisenhammer, einer Walzmühle, einem Platz, auf dem früher die Schorrmühle gestanden hatte und dem Land im Langenbroicher Feld, sowie Erzgruben in Kufferath, Langenbroich und Bilstein. Die Hütte hatte 22 Mitarbeiter und lieferte jährlich 153t Masseln und 102t Stabeisen. Das Erz dazu kam von der Grube Diepenlinchen aus Stolberg, weil die örtlichen Lagerstätten erschöpft waren.

Als die beiden Brüder den Betrieb übernahmen, gelang es ihnen bereits im ersten Jahr 230t Gussstahl und 1.673t Stabeisen herzustellen. Zudem intensivierten sie die Erzförderung in der Mausbacher Grube bei Stolberg sowie im nahegelegenen Kufferath, dessen Grube Johanna später die Hauptbasis für Erzlieferungen werden sollte. Um jedoch mit englischen und schwedischen Firmen und dem dort produzierten Massenstahl mithalten zu können, wollte Eberhard Hoesch mehr über das englische Verfahren der "Puddlingsfrischerei" herausfinden. Dazu begab er sich 1823 nach England. Dort wollte er Industriespionage betreiben, was zu dieser Zeit allerdings lebensgefährlich war, da auf diesen Strafbestand in England die Todesstrafe folgte. Eberhard Hoesch versuchte es dennoch, war zwar erfolgreich, wurde aber entdeckt und verfolgt. Dabei musste er sich sogar in einem kalt liegenden Ofen über mehrere Stunden verstecken. Als er merkte, wie der Ofen in Betrieb genommen wurde, konnte er fliehen und fand auf einer französischen Fregatte im Hafen Schutz, die ihn gesund und munter ans Festland zurückbrachte.

Direkt im Anschluss ließ er 1824 nach englischem Vorbild das Lendersdorfer Walzwerk bauen. Er engagierte sogar englische Arbeiter, die das Verfahren bereits kannten. Zudem baute er 1825 ein weiteres Walzwerk in Eberhardshammer. Dies war der neue, zweite Produktionsstandort, 500 m nördlich der Lendersdorfer Hütte. Dieses Walzwerk zur Erzeugung von Stabeisen und Stabstahl sollte bald eines der angesehensten Walzwerke des Westens werden. Zur weiteren Optimierung ließ Hoesch 1827 den ersten rheinischen Hochofen, der mit dem Puddelverfahren arbeitete, bauen und in Betrieb nehmen. Der Grund dafür war, dass der alte Ofen schlichtweg zu viel Holzkohle verbraucht hatte. Der neue Ofen arbeitete mit vorgewärmtem Gebläsewind und mit Holzkohle und Koks.


1831 folgte nach dem Tod seines Vaters der zweite große Schicksalsschlag: Sein Bruder Wilhelm, der mit ihm "Gebrüder Wilhelm und Eberhard Hoesch" geleitet hatte, verstarb. Eberhard Hoesch schloss daraufhin einen Gesellschaftsvertrag mit der Witwe Johanna Maria Schoeller. Seine Söhne und der einzige Sohn Wilhelms, Leopold Hoesch, traten in die Gesellschaft ein. Aber erst 15 Jahre später, am 1. Oktober 1846, änderte er den Firmennamen von "Gebrüder Wilhelm und Eberhard Hoesch" zu "Eberhard Hoesch & Söhne".


Dank des neuen Verfahrens für Massenstahl konnten in Lendersdorf als zweitem Betrieb in Deutschland überhaupt Schienen für die Eisenbahn hergestellt werden. So bekam man auch 1837 den Auftrag für die erste Schienenlieferung an die Rheinische Eisenbahn, welche zwischen 1838 und 1844 für den Bau der Eisenbahnstrecke Köln-Aachen über Düren zuständig war. Weitere Schienenlieferungen gingen zwischen 1838 und 1850 unter anderem an die Badische Eisenbahn, die Köln-Mindener Eisenbahn, die Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn oder sogar die Preußische Ostbahn. Auch Aufträge aus Amerika und Russland muss es wohl gegeben haben. Die Lendersdorfer Hütte wurde kontinuierlich erweitert. So gliederte man 1842 eine Eisenbearbeitungsstätte an die Fabrik an, gab zwar 1847 die Eisenschneidmühle auf, baute im selben Jahr aber zum einen ein Zinkwalzwerk in Schneidhausen, welches seit dem 31. März 1981 im Westfälischen Freilichtmuseum technischer Kulturdenkmäler in Hagen steht, vor allem aber im Mai des Jahres das Puddel- und Walzwerk Eschweiler bei Düren. Da dieses im Inde-Revier lag, kaufte Eberhard Hoesch gleichzeitig auch die dortigen Steinkohlegruben auf und konnte so die Steinkohle abbauen, die für das Puddelwerk vonnöten war. Das Werk in Eschweiler wurde mit der Zeit zum Hauptwerk, der Standort Lendersdorf war nur noch das Nebenwerk.

Am 9. April 1852 starb Eberhard Hoesch in Düren. Sein 32-jähriger Neffe Leopold Hoesch, der oben genannte einzige Sohn seines Bruders und Teilhabers Wilhelm Hoesch, übernahm den Familienbesitz, der mittlerweile die Eisenwerke Lendersdorf und Eschweiler (bei Düren) sowie das Zinkwalzwerk in Schneidhausen umfasste.

Nach Eberhards Tod ging es mit der bereits seit 1613 bestehenden Lendersdorfer Hütte stetig bergab. 1856/1857 kamen Überlegungen auf, das gesamte Werk umzubauen. Ab 1860 gab es aufgrund eines Mangels an Eisensteingruben auch keinen Hochofenbetrieb mehr. Doch statt das Werk umzubauen, entschied man sich, nach Dortmund ins Ruhrgebiet umzuziehen. Am 1. September 1871 wurde ein entsprechender Vertrag geschlossen. Vier Jahre später folgte dann die Stilllegung des Eisenhammers. Lediglich die Gießerei und die Eisenbearbeitungsstätte blieben bestehen. Letztgenannte wurde zur ältesten Maschinenfabrik im Dürener Raum.

Mehr als ein ganzes Jahrhundert später, am 18. Mai 1995, wurden bei der Lendersdorfer Firma Eberhard Hoesch & Söhne GmbH u. Co. KG die Werkstore für immer geschlossen. Heute erinnert der Hoeschplatz an die großzügigen Spenden zweier Mitglieder der Familie Hoesch, die den Bau des Dürener Stadttheaters (1944 zerstört) und des heute noch bestehenden Leopold-Hoesch-Museums ermöglichten.

Quellen:

- "Zeittafel zur Geschichte Dürens 747-1997" von Domsta, Krebs und Krobb - "Aufbruch ins Revier, Aufbruch nach Europa" von Horst Mönnich - "Industriekultur - Düren und die Nordeifel", herausgegeben von Walter Buschmann, erschienen bei Hahne & Schloemer - "Lendersdorf" von Friedrich Milz - "Deutsches Geschlechterbuch, Band 123" herausgegeben von Edmund Strutz - https://www.kdwupper.de/lwl_freilichtmuseum_hagen_wesf.html


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